EXPERTENINTERVIEWS EXPERTENTELEFON „Pflege“ am 29.03.2012

Experteninterviews zum Thema „Pflege und finanzielle Vorsorge“

Interview mit Manuela Engelbrecht, Altenpflegerin, Geronto-Fachkraft, Pflegedienstleitung im „Bavaria“-Senioren- und Pflegeheim, Sulzbach-Rosenberg / Oberpfalz. Nebenberufliche Ausübung als Pflegesachverständige.

Interview mit Dr. Andreas Albrecht, Notar in Regensburg. Dr. Albrecht war beteiligt am Aufbau der bayerischen Hospiz- und Palliativbewegung und ist Buchautor zu Fragen der Vollmacht und Patientenverfügung.

 

 

 

 

 

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Welche Voraussetzungen sollte eine Pflegekraft erfüllen, die einen Pflegebedürftigen zuhause entweder rund um die Uhr oder ambulant mehrmals pro Tag betreut?

  • Manuela Engelbrecht: Sie sollte einen Versorgungsvertrag mit der Pflegekasse haben, sie sollte eine Altenpflegefachkraft sein oder eine Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung haben und sie sollte über ein Konzept zur professionellen Pflege verfügen.

Was kostet die Rund-um-die Uhr-Betreuung durch eine professionelle Pflegekraft und was ist rechtlich zu beachten, wenn man dafür eine osteuropäische Pflegekraft einstellen will?

  • Manuela Engelbrecht: Die Kosten richten sich nach den deutschen Sprachkenntnissen der Pflegekraft sowie ihrer Ausbildung. Ohne einschlägige Ausbildung kostet es zwischen 1.379 bis 1.879 Euro, mit Ausbildung zwischen 2.200 und 2.500 Euro. Die Betreuungskraft muss sozialversichert sein und ihre Tätigkeit muss dem deutschen Finanzamt gemeldet werden. Zudem sollte man auf die Ausbildung achten, die meisten polnischen Aushilfskräfte beispielsweise weisen oft nur praktische Erfahrungen auf.

Oftmals ist eine häusliche Pflege den Angehörigen nicht mehr zumutbar. Wie findet man dann eine passende Einrichtung und auf was muss man bei der Suche achten?

  • Manuela Engelbrecht: Die Einrichtung sollte wohnortnah und durch eine gute Verkehrsanbindung leicht erreichbar sein. Man sollte sich die Einrichtung im Vorfeld gründlich anschauen und dabei nach der Wohlfühlatmosphäre entscheiden, etwa der räumlichen Gestaltung. Auch Probewohnen sollte möglich sein. In einer guten Einrichtung ist das Mitbringen von eigenem Mobiliar möglich, und es sollte ein tägliches durchgängiges Betreuungsangebot stattfinden. Weitere Kriterien können individuelle Ruhe- und Weckzeiten sowie individuelle Besuchs- sowie Ausgehzeiten sein.

Es gibt den gesetzlichen Anspruch auf kostenlose Pflegeberatung. Wer führt diese Beratung durch?

  • Manuela Engelbrecht: Die Pflegeberatung wird von den Mitarbeitern der Pflegekassen sowie Pflegesachverständigen durchgeführt. In jeder Gemeinde gibt es Pflegeberatungsstützpunkte, oftmals sind sie den Kliniken angegliedert. Die Pflegeberatung wird mit der Pflegekasse abgerechnet, sie gibt fundierte Hilfestellung bei eventuell fehlenden Hilfsmitteln sowie bei der Unterstützung und Anleitung der Pflege.

Wo findet man Hilfe, wenn die für die häusliche Pflege eingeplante Pflegekraft ausfällt oder Urlaub machen will?

  • Manuela Engelbrecht: Grundsätzlich gibt es die Beratung und Unterstützung von der eigenen Krankenkasse. Fast jede stationäre Einrichtung bietet eine Kurzzeit- sowie Verhinderungspflege an, auch hier ist eine direkte Beratung und Unterstützung im Regelfall kostenlos möglich.
     

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Welche Rechte haben die Angehörigen eines Pflegebedürftigen, wenn keine Vorsorgevollmacht und keine Patientenverfügung vorliegen?

Dr. Andreas Albrecht: Angehörige als solche haben keine Rechte. Sie können sich vom Amtsgericht zum Betreuer bestellen lassen, wobei das Amtsgericht eine Auswahlentscheidung trifft, ob dieser Angehörige als Betreuer gerade für diesen Patienten geeignet ist. Das lässt sich nur durch eine geeignete Vollmacht vermeiden.

Es gibt in Deutschland immer mehr Alleinstehende. Wen können diese im Falle eines Falles damit beauftragen, ihre Angelegenheiten im eigenen Sinne zu regeln?

  • Dr. Andreas Albrecht: Sie sollten eine Person ihres Vertrauens zum Bevollmächtigten bestellen oder eine Betreuungsverfügung errichten, in der sie bestimmen, wer im Fall des Falles vom Amtsgericht zu ihrem Betreuer bestellt werden soll.

Was kann in der Patientenverfügung alles geregelt werden und welche formalen Anforderungen werden an sie gestellt?

  • Dr. Andreas Albrecht: In der Patientenverfügung können bestimmte Anweisungen über die Art der Behandlung oder auch Nichtbehandlung geregelt sein. Vorteilhaft ist zumindest die Schriftform, dann ist die Verfügung weitgehend für alle Beteiligten bindend. Aber auch mündliche Anweisungen können als Behandlungswunsch maßgeblich sein. Je konkreter die Krankheitssituation bereits ist, umso spezifischer sollten und können die Anweisungen an den Vertreter sein, wie die weitere Behandlung des Patienten aussehen soll.

Wenn Eltern pflegebedürftig werden, machen Kinder häufig Abstriche im Job oder geben ihn sogar ganz auf. Das ist oft mit großen finanziellen Einbußen verbunden. Können Eltern dieses Kind dafür entschädigen, ohne dass das Einfluss auf die Erbregelung unter den anderen Geschwistern hat?

  • Dr. Andreas Albrecht: Seit Anfang 2010 gibt es einen neuen Paragrafen 2057a BGB, wonach beispielsweise Kinder, die einen Angehörigen länger gepflegt haben, bei der Erbfolge besser gestellt sind, auch wenn kein Testament vorliegt. Das pflegende Kind kann bei der Verteilung des Erbes verlangen, einen höheren Bruchteil zu erhalten, als ihm bei normaler Erbfolge zusteht. Wie hoch dieser Vorteil bei der Nachlassverteilung ausfällt, hängt vom Vermögen des Verstorbenen, dem Aufwand der Pflege und dem Verzicht auf eigenes Einkommen ab.

Die Bundesregierung plant 2013 eine große Pflegereform. Bereits Anfang 2012 ist das Familienpflegezeitgesetz in Kraft getreten. Welche rechtlichen Ansprüche daraus haben die Arbeitnehmer konkret im Hinblick auf die Pflege von Angehörigen?

  • Dr. Andreas Albrecht: Ziel des Gesetzes ist es, die Pflege von nahen Angehörigen für Berufstätige zu erleichtern. So soll ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, neben der häuslichen Pflege im Beruf mit reduzierter Stundenzahl weiterzuarbeiten. Sie erhalten dazu eine staatlich geförderte Aufstockung ihres Arbeitsentgelts um bis zu 25 Prozent. Kernstück des Gesetzes ist die zinslose Refinanzierung einer solchen Entgeltaufstockung des Arbeitgebers durch ein Bundesdarlehen. Außerdem soll das Ausfallrisiko, das durch den Tod oder die Berufsunfähigkeit der Pflegeperson entstehen kann, durch eine Familienpflegezeitversicherung abgedeckt werden.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),
Gesundheitsthemen